Ringvorlesung
Wintersemester 2009/10: Schemabildung - Konvention, Stereotypie, Normalit?t
Im Zentrum der Ringvorlesung steht die Frage nach Gemeinsamkeiten und Trennlinien von Schemata und Automatismen. Inwiefern sind Automatismen an der Entstehung von Schemata beteiligt? Stellen Schemata ein paradigmatisches Beispiel der Strukturentstehung au?erhalb geplanter Prozesse dar, oder müssen sie vielmehr als Sonderfall gelten? Welche Funktion besitzt der ?verteilte Charakter’ – das unabh?ngige Handeln diverser Akteure – für die Ausbildung schematisierter Strukturen? Besitzen Schemata einen Einfluss auf die Subjektkonstitution und wie l?sst sich dieser benennen? Welche Rolle spielen quantitative Prozesse für die Herstellung und Fortschreibung von Schemata?
Raum: E5.333
Zeit immer: 18.15h
______
Dienstag 3.11 | Hartmut Winkler
Schemabildung. Eine Maschine zur Umarbeitung von Inhalt in Form
Schemabildung und Schemata gibt es in den unterschiedlichsten Kontexten; zeichnet man einige dieser Kontexte nach, wird die besondere Leistung des Schemabegriffs deutlich. Warum ist die Schemabildung gerade im Feld der Medien so augenf?llig und relevant? Der Beitrag wird die These vertreten, dass die unterschiedlichen Medien sich vor allem im Bezug auf das Schemakonzept unterscheiden. Vielleicht liegt hier der Schlüssel, warum es überhaupt unterschiedliche Medien gibt…
Dienstag 17.11. | Corinna Bath
Sozialit?t für die Maschine: Schematisierung oder Bruch mit der Normalit?t?
Die Gestaltung "sozialer", menschen?hnlicher Maschinen erscheint als ein idealer Gegenstand, um Prozesse der Herstellung von Differenz, Stereotypisierung, Schematisierung und Normalisierung beobachten zu k?nnen. Theoretische und empirische Untersuchungen der Konstruktion von Softwareagenten zeigten zun?chst, dass die ForscherInnen auf verschiedene Sozialit?tskonzepte zurückgreifen, um künstliche Charaktere auf dem Bildschirm als glaubwürdige InteraktionspartnerInnen zu kreieren: VertreterInnen des deskriptiven Ansatzes streben an, soziale Interaktion in ihrer ?u?erlichen Erscheinung zu beschreiben und nachzubilden. Bei kognitions- und evolutionswissenschaftlichen Ans?tzen wird demgegenüber versucht zu verstehen, wie soziales Verhalten funktioniert und entsteht, um diese Modelle der Maschine einzuschreiben. Im Gegensatz dazu zielt der medienwissenschaftliche Ansatz darauf, die Artefakte so zu konzipieren, dass sie erscheinen "als ob" sie menschlich bzw. sozial w?ren.
Im Vortrag wird mit Blick auf die strukturell-symbolische Geschlechterordnung diskutiert, auf welche je spezifische Weise diese Sozialit?tskonzeptionen zur Schemabildung beitragen, diese fortsetzen oder aber auch durchkreuzen, indem sie bewusst mit der vorherrschenden Normalit?t brechen. Dabei werde ich mich auf Karen Barads Konzept der posthumanistischen Performativit?t berufen, um die betrachteten Prozesse der Ko-Materialisierung von Technik und Geschlecht kritisch denken sowie produktiv auf feministische Interventionen hin ausrichten zu k?nnen.
Dienstag 1.12. | Rolf Nohr
Wahrheitsmaschinen. Die Produktion von Evidenz (und deren Theorien)
Ein aktuell vielbeschworener und -diskutierter Begriff ist der der Evidenz. Die Frage, wie Aussagepraktiken ihre intersubjektive "Sagbarkeit und Sichtbarkeit" konventionalisieren, automatisiert produzieren oder organisieren, scheint dr?ngend. Im gleichen Ma?e, wie von einer Konjunktur der Evidenz gesprochen werden kann, muss aber auch von einer Krise der Evidenztheorie gesprochen werden.
Diskutiert wird, wie der Prozess der Evidenzstiftung zu beschreiben sei, wie sie sich von anderen "starken Referenzbegriffen" abgrenzt oder welche Aspekte sie von diesen übernimmt. Eines der vorrangigen Probleme von (medialen) Evidenzkonstruktionen ist dabei sicherlich die zu beobachtende "Geste der Evidenzstiftung", die sich oftmals als eine rein formale Struktur entpuppt. Ein Bild wird zur "Wahrheit", weil es ein Bild ist; eine "Aussage" wird zur objektiven Aussage, weil sie sich bestimmter Konventionen zu bedienen wei?. Interessant erscheint jedoch auch die Frage, warum und unter welchen Pr?missen und strategischen Zielen wir uns mit dem Begriff und Ph?nomen der Evidenz besch?ftigen. Ziel des Vortrags ist es daher weniger, einen konsistenten Begriff der Evidenz vorzuschlagen, sondern anhand einer Art Ad-hoc-N?herung Probleme der Definition der Evidenz aufzuzeigen, daraus resultierende Fallstricke zu skizzieren und zu versuchen, diese N?herung weiter zu pr?zisieren (ohne sie jedoch abschlie?en zu k?nnen). Das grunds?tzliche Problem mit der Evidenz und ihrer Theorie scheint jedoch das Auftauchen notwendigerweise zu apostrophierender Begriffe zu sein: "Wahrheit" und "Objektivit?t".
Dienstag 15.12. | Raum: H4.203 | Jürgen Link
Normalisierung zwischen Spontaneit?t und Adjustierung. Mit einem Blick auf die 'demografische Krise'
Ziel des Vortrags ist es, "Normalisierungen" (im Sinne der Normalismustheorie) bezüglich des Konzepts von spontaner ("automatischer") Struktur- bzw. System-Emergenz zu situieren. Dazu wird es sich empfehlen, zun?chst das Normalismuskonzept kondensiert in Erinnerung zu rufen – unter besonderer Beachtung von Kategorien wie Standard (Industrienorm), Schema und Reproduzit?t. Wenn das Wesen normalistischer Dispositive in der Verdatung von Massen und ihrer statistischen Bearbeitung sowie darauf gegründeter Adjustierungen liegt – wie verhalten sich dabei spontane (unbewusst-massenhafte) Prozesse und Emergenzen zur planerischen Adjustierung? Ein klassisches Beispiel seit Beginn des Normalismus im 18. Jahrhundert ist die Demografie. Ihre historischen und aktuellen "Krisen" erlauben es, dieses konstitutive Verh?ltnis des Normalismus exemplarisch zu illustrieren.
Mittwoch 16.12. | Zeit: 11-13 | Matthias Thiele
Kollektivsymbolik als Schematismus und Realit?t der Massenmedien
Die Realit?t der Massenmedien wird von Kollektivsymbolen bestimmt. Es gibt kaum journalistische Texte und Fernsehbeitr?ge, die nicht mit kulturellen Stereotypen operieren und ihre Sinnhaftigkeit und Koh?renz aus dem Einsatz und der Montage von Symbolen gewinnen. ?ber den einzelnen Text hinaus bilden sich in den Massenmedien transmedial relativ feste, interdependente Netze von Kollektivsymbolen und symbolisch-narrativen Schemata aus: bei der Er- und Verarbeitung von Ereignissen, bei der diskursiven Generierung von Themen sowie bei der Diskursivierung und Visualisierung von sozialen Gegenst?nden. Ihre hohe Reproduktionskapazit?t besitzen sie unter anderem wegen ihres Potentials, Komplexit?t auf Anschaulichkeit zu reduzieren. Die Reproduktion und kulturelle Stereotypisierung l?sst sich darüber hinaus sowohl auf die Struktur und den synchronen Zusammenhang der Kollektivsymbole zurückführen als auch auf die Routinen der journalistischen Medienpraxis. Von Bedeutung ist hierbei, dass das Kollektivsymbolsystem nicht nur eine elementare generative Instanz für die Textproduktion darstellt, sondern ebenfalls für die Subjektbildung. Im Vortrag soll insbesondere das Fernsehen in den Blick genommen werden, das als eines der klassischen Medien des kollektivsymbolischen Schematismus in den letzten Jahren neue Spielr?ume für die ikonisch-?sthetische Realisierung von Symbolen er?ffnet. So k?nnen die Symbolisierungsprozesse zugleich mit der Frage nach einer Medienspezifik verknüpft werden.
Dienstag 12.1. | Christina von Braun
Religion als Schema für Geschlechterordnung, Wissensordnung und Bildregime
Ein Vergleich zwischen den symbolischen Geschlechterordnungen der drei Religionen des Buches zeigt, wie eng Geschlecht, Sexualit?t und Kultur/Religion miteinander verwoben sind. Daher auch die hohe Emotionalit?t, die dieses Thema in der Begegnung der Religionen ausl?st. Die Art, wie das Verh?ltnis von Gott und Mensch gedacht wird, bildet das "Schema", nach dem in den drei Religionen das Verh?ltnis von Mann und Frau gedacht und rituell eingeübt wird. Der Vortrag wird die symbolische Geschlechterordnung in den drei "Religionen des Buches" – Judentum, Christentum und Islam – vergleichen und zeigen, dass sich diese Unterschiede auch auf andere grundlegende Schemen auswirken: die jeweilige Wissensordnung einerseits und das Verh?ltnis zum Bild andererseits. In allen drei Religionen steht die symbolische Geschlechterordnung in engem Zusammenhang zur Wissensordnung und zum Umgang mit Bildern.
Dienstag 27.1. | Gerd Althoff
Die Arbeit am Schema: Architekten, Bausteine und Konstruktionsprinzipien der Herrschaftsrituale des Mittelalters
Rituale sind nach verbreiteter Meinung dem ver?ndernden Zugriff der Akteure entzogen. 360直播吧 sind vielmehr auf strikte und rigide Durchführung von Vorgaben verpflichtet, die sie selbst weder geschaffen haben noch unbedingt verstehen müssen. In solchen Vorstellungen artikuliert sich jedoch ein Ritualverst?ndnis, das der Komplexit?t des Ph?nomens Ritual nur teilweise gerecht wird.
An den Herrschaftsritualen des Mittelalters soll demonstriert werden, wie in vorbereitenden Planungen Einzelheiten der Rituale festgelegt wurden, wie virtuos man dabei Bausteine aus anderen Zusammenh?ngen zu nutzen verstand und wer die Verantwortlichen für solche Gestaltung waren.