Ern?hrung und Ern?hrungs­mythen auf der Spur: Stud­i­er­ende fra­gen – Prof. Dr. Helmut Heseker vom In­sti­tut für Ern?hrung, Kon­sum und Ge­sund­heit an­t­wor­tet

?Fruchtzucker ist gesünder als normaler Zucker.“ ?Man sollte zwei Liter Wasser am Tag trinken.“ ?Kohlenhydrate machen dick.“ Es gibt haufenweise Aussagen und Tipps zum Thema Ern?hrung. Doch wie viel Wahrheit steckt darin? Das Team von ?mein beneFIT@upb.de“, dem Gesundheitsmanagement für Studierende der Universit?t Paderborn, wollte es genau wissen. Auf den Social Media-Kan?len der Hochschule konnten Studierende eine Woche lang Fragen zu Ern?hrung und Ern?hrungsmythen stellen. Prof. Dr. Helmut Heseker vom Institut für Ern?hrung, Konsum und Gesundheit hat sie beantwortet. Passend zum kommenden Weltgesundheitstag am 7. April pr?sentieren wir einige der Fragen und Antworten:

Eine Frage, die oft gestellt wurde: Sollten wir nach 18 Uhr nichts mehr essen?

Helmut Heseker: Entscheidend ist die Gesamtenergieaufnahme des Tages. Wenn jemand seine Nahrungsaufnahme kontrollieren will, kann er natürlich abends früher essen und auf alle Sp?tmahlzeiten verzichten. Damit hat er eine l?ngere Fastenpause über Nacht. Aber es ist nicht erforderlich und es bringt auch nicht unbedingt Vorteile. Es ist einfach eine Ma?nahme, seine eigene Nahrungs- bzw. Kalorienaufnahme ein bisschen besser zu kontrollieren.

Gibt es unterschiedliche Stoffwechseltypen? Und: Kann unser Stoffwechsel einschlafen oder nicht?

Das wird viel diskutiert. Es gibt natürlich gute und schlechte Essensverwerter: Die einen kommen mit relativ wenig Kalorien aus und andere k?nnen relativ viel essen, ohne gleich zuzunehmen. Das h?ngt auch mit unserer epigenetischen Pr?gung zusammen. Auf jeden Fall sollte jeder seinen K?rper- bzw. Energiebedarf hinreichend gut kennen, wobei ein gelegentlicher Blick auf die Waage oder die aktuelle Kleidergr??e nicht schaden kann.

Welches Problem besteht mit zuckerhaltigen Cola- und Energydrinks? 

Das Problem bei zuckergesü?ten Getr?nken ist, dass die damit aufgenommenen Kalorien nicht zur S?ttigung beitragen. Wenn zum Beispiel Studierende abends die gleiche Pizza essen, der/die trinkt ein Glas Cola dazu, der/die andere ein Glas Wasser, so haben beide das gleiche S?ttigungsgefühl. Und in dem halben Liter Cola sind ca. 220 Kalorien extra. Der Cola-Trinker l?sst nicht ein Stück Pizza zurück, weil er sich bereits vorher satt fühlt. Deshalb werden mit zuckergesü?ten Getr?nken und S?ften mehr Kalorien in kurzer Zeit eingenommen. Die Studien zeigen eindeutig, dass zuckergesü?te Erfrischungsgetr?nke und genauso auch unsere beliebten S?fte schon einen erheblichen Teil dazu beitragen, dass wir mit zunehmendem Alter allm?hlich übergewichtig werden.

Sind Cola Zero, Cola light und Energy-light-Getr?nke krebserregend?

Nein. Wenn Sü?stoffe gesundheitliche Gefahren mit sich bringen würden, h?tte der Gesetzgeber sie l?ngst vom Markt nehmen lassen. Aber wir halten es nicht für sinnvoll, sü?stoffgesü?te Getr?nke zu verwenden. Entscheidend ist doch, dass wir uns an weniger Sü?es gew?hnen.

Wie viel bringen Energydrinks wirklich? Haben 360直播吧 einen Effekt auf unsere (sportliche) Leistung?

Energydrinks sind einfach eine tolle Marketingidee. Die meisten Energydrinks enthalten ja neben Zucker weitere Inhaltsstoffe, unter anderem Taurin. Das ist nur aus Marketinggesichtspunkten hinzugefügt worden, denn Taurin kommt vom lateinischen Wort Taurus, was Stier bedeutet. Es soll suggerieren, dass man durch den Drink ?Bullenkr?fte“ bekommt. Was in der Werbung nicht zur Sprache kommt: Wir produzieren Taurin selber im K?rper! Wir sind also nicht darauf angewiesen, es zus?tzlich aufzunehmen. Viele der Energydrinks enthalten auch reichlich Koffein. Es ist ja hinl?nglich bekannt, dass Koffein die Ermüdung oder die Ermüdbarkeit reduziert. Aber alle anderen noch so phantasievollen Zutaten sind überflüssig wie ein Kropf.

?Zu viel Kaffee ist ungesund“ – Mythos oder Fakt?

Bei Kaffee kommt es auf die Dosierung an. Koffein in h?heren Dosen hat eine pharmakologische Wirkung. Jeder, der einmal zu viel Koffein aufgenommen hat, kennt die Symptome: Man bekommt z. B. Schwei?ausbrüche und die Pulsfrequenz geht hoch. Aber wenn man Kaffee in herk?mmlichen Mengen trinkt, 3, 4, 5 Tassen über den Tag verteilt, nicht zu stark, ist das für die meisten von uns ohne Probleme vertr?glich.

Macht Alkohol dick?

Auch dort h?ngt es wieder von der Menge ab, die wir trinken. Mit alkoholischen Getr?nken ist es wie mit zuckergesü?ten Getr?nken: Man kann innerhalb kurzer Zeit relativ viele Kalorien aufnehmen. Gerade Bier ist ja ein kalorienreiches Getr?nk und z?hlt nicht nur in Bayern zu den Grundnahrungsmitteln vieler Menschen, und natürlich steigern wir durch den Alkoholkonsum die Gesamtenergieaufnahme.

Ben?tigt ein Sportler mehr Proteine?

Bei Freizeitsportlern wird der Proteinbedarf meist übersch?tzt. Sportler brauchen mehr Proteine als andere Menschen. Vielen ist aber nicht bekannt, dass der Proteinbedarf eines Ausdauersportlers h?her ist als der eines Kraftsportlers. Ein Kraftsportler, der seine Aufbauphase hinter sich hat, also der eine bestimmt Muskelmasse halten will, braucht nicht sehr viel mehr Protein wie ein Freizeitsportler. Beim Ausdauersportler, der w?hrend der sportlichen Belastung alle Substrate in der Muskulatur zur Energiegewinnung nutzt – Glukose, Fette und Eiwei?e – ist es wichtig, dass m?glichst zeitnah ein eiwei?- und kohlenhydrathaltiges Lebensmittel aufgenommen wird. Das muss aber kein Shake sein, sondern es reicht ein K?sebrot, denn die Kombination aus Kohlenhydraten und Eiwei? begünstigt die Regeneration des Muskels.

Der Durchschnittsbürger ben?tigt am Tag nur 0,8 g Proteine pro Kilogramm K?rpergewicht, um die Muskelmasse zu erhalten. Mit unserer durchschnittlichen Ern?hrung nehmen wir heute bereits 1,5 g – 2 g Protein pro kg K?rpergewicht auf. Mit dieser Menge kann selbst ein Kraftsportler in der Aufbauphase seinen Proteinbedarf voll und ganz decken. Das hei?t, die ganzen Proteinpr?parate, die in fast allen Fitnessstudios zur Umsatzsteigerung angeboten werden, sind überflüssig und weitgehend wirkungslos.

Ist Kokos?l die bessere Wahl als unsere herk?mmlichen ?le, wie Sonnenblumen-, Raps- und Oliven?l?

Im Moment gibt es sowohl um Palm?l als auch um Kokos?l einen regelrechten Hype. Beide ?le haben einen hohen Anteil an ges?ttigten Fetts?uren und sind von daher deutlich ungünstiger zu bewerten als unsere klassischen Pflanzen?le und -fette, wie beispielsweise Raps- oder Oliven?l. Man muss wissen, dass ann?hernd 10 Prozent (!) aller vom Menschen verzehrten Kalorien aus Palm?l stammen. Da ist eine enorm starke Lobby dahinter, die im Moment versucht, Palm- und Kokos?l in ein aus gesundheitlicher Sicht günstigeres Licht zu stellen.

Ist es wichtig, bei bestimmten Lebensmitteln Bio-Produkte zu w?hlen?

Aus gesundheitlicher Sicht gibt es bis heute wenig Punkte, die für Bio-Lebensmittel sprechen. Aber aus ?kologischer Sicht macht es natürlich Sinn, dass wir mindestens einen Teil unserer Lebensmittel eher aus regionalen Quellen beziehen und darauf achten, dass das Tierwohl eingehalten und eine nachhaltigere Landwirtschaft unterstützt wird. Inzwischen sind die klassischen Superm?rkte auf die Bio-Welle aufgesprungen, sodass Bio-Produkte auch preislich in ein studentisches Budget passen.

Lassen sich alle Mittel, mit denen herk?mmlichen Lebensmitteln gespritzt werden, wirklich abwaschen?

Im Bio-Anbau sind nur wenige Pflanzenschutzmittel zugelassen und hier wird auf biologische Ma?nahmen gesetzt, um die Ausbreitung von Schadenserregern zu reduzieren. Bei herk?mmlichen Lebensmitteln sollten bei guter landwirtschaftlicher und küchentechnischer Praxis ebenfalls keine relevanten Rückst?nde mehr vorhanden sein. Die Qualit?t wird sowohl im ?kologischen als auch im traditionellen Anbau regelm??ig kontrolliert und deshalb sind die Unterschiede eher marginal.

Wird Essen in der Mikrowelle zerst?rt?

Nein. Durch die kurze W?rmebelastung bleiben die Vitamine weitgehend erhalten. Bei der Zerst?rung von Vitaminen ist immer die Dauer der Erhitzung entscheidend – und die ist relativ kurz. Daher sind Mikrowellengerichte schon in Ordnung.

Ist billiges Fleisch in Mengen schlecht für unseren K?rper?

Nein, an Fleisch gibt es aus gesundheitlicher Sicht wenig auszusetzten, denn es muss ja rückstandsfrei angeboten werden. Wir haben strenge tier?rztliche Kontrollen in Schlachth?fen. Allerdings macht es natürlich auch da aus ?kologischer Sicht Sinn, dass wir auf die Fleischherkunft achten. Es nicht zu empfehlen, bei jeder Mahlzeit Fleisch zu essen. Gerade in akademischen Kreisen greift eine Ern?hrungsweise um sich, die wir als ?flexitarische Ern?hrung“ bezeichnen. Dies bedeutet, dass man bewusst seinen Fleischkonsum reduziert und dabei auf eine gute Fleischqualit?t achtet. Das ist eine vernünftige Ern?hrungsweise – sowohl aus gesundheitlicher als auch aus ?kologischer Sicht.

Braucht der Mensch tierische Produkte?

Nein, man kann sich auch vegetarisch oder sogar vegan ern?hren. Allerdings braucht es dann sehr gute Lebensmittelkenntnisse, weil gerade mit den tierischen Lebensmitteln viele lebensnotwendige N?hrstoffe geliefert werden. Es gibt mindestens einen N?hrstoff, wie das Vitamin B12, das nur in Lebensmitteln tierischen Ursprungs vorkommt. Wenn jemand sich streng vegan ern?hrt, ist er zwingend darauf angewiesen, regelm??ig eine Vitamin B12-Tablette einzunehmen. Sonst wird er kurz oder lang an einem Vitamin B12-Mangel leiden.

Ist vegane Ern?hrung gesünder, also einer normalen Ern?hrungsform vorzuziehen?

Ich würde eher eine vegetarische Ern?hrungsform vorziehen – die ist einfacher zu praktizieren und zu realisieren. Also sprich mit Milch, K?se und Eiern, vielleicht auch mit Fisch. Bei der veganen Ern?hrung braucht man wirklich gute Lebensmittelkenntnisse, um m?glichen N?hrstoffdefiziten vorzubeugen.

K?nnen Ersatzprodukte für Veganer und Vegetarier bedenkenlos verwendet werden?

Um die Ern?hrung von Vegetariern und Veganern zu vereinfachen, bietet die Industrie eine gro?e Vielfalt an Milch, K?se und Fleischersatzprodukten an. Diese sind nicht unbedingt besser als herk?mmliche Lebensmittel. Dies sind in der Regel hochverarbeitete Produkte, die oft viel ges?ttigte Fetts?uren enthalten, manchmal auch vermehrt Zucker. Da muss man schon sehr genau auf die Zusammensetzung achten.

?Milch ist gut für die Knochen“ – Mythos oder Fakt?

Der Knochen braucht drei Dinge: Calcium, Vitamin D und k?rperliche Belastung. Calcium ist etwa in Milch und K?se enthalten, kann aber nur vom Darm ins Blut überführt werden, wenn Vitamin D vorhanden ist. Der Knochen ist nur dann bereit, das Calcium aufzunehmen, wenn er belastet wird. Wir k?nnen uns also nicht aufs Sofa setzten und Milch trinken und denken:  Alles ist gut. Wir brauchen immer den Reiz der k?rperlichen Belastung.

Befindet sich in Obst gesünderer Zucker als in Schokolade?

Nein, das kann man so nicht sagen. In Obst befindet sich zwar Fruchtzucker, der in gr??eren Mengen gegessen einige unsch?ne Wirkungen auf unseren Stoffwechsel haben kann. Solange wir aber herk?mmliches, unverarbeitetes Obst essen, sollte das unproblematisch sein.

Man sollte zugesetzten Zucker grunds?tzlich reduzieren. Besonders durch zugesetzten Zucker wird die Energiedichte von Lebensmitteln, das hei?t Kalorien pro 100 g, erh?ht. Das ist ein zentrales Ern?hrungsproblem: Wir essen viele hochverarbeitete, energiedichte Lebensmittel mit hohem Zucker- und oft auch Fettgehalt.

?Zucker macht dick“ – wahr oder falsch?

Ja. Die die Zuckerindustrie leugnet das natürlich, aber durch Zucker wird die Energiedichte von Lebensmitteln erh?ht. Zus?tzlich tr?gt Zucker zur ?berern?hrung bei. Nicht nur in Getr?nken, sondern auch in verarbeiteten Lebensmitteln. Die Wissenschaft geht davon aus, dass 80 % aller verarbeiteten Lebensmittel Zucker enthalten. Wenn wir in den Lebensmittelmarkt gehen und dort einen fertigen Rotkohl oder Ketchup kaufen, ist in diesen Lebensmitteln oft viel Mengen Zucker enthalten. Unsere ganze Nahrungskette ist heute sozusagen mit Zucker ?verunreinigt“. Wir finden Zucker in vielen Lebensmitteln und Gerichten, in denen Oma es nie erwartet oder zugefügt h?tte.

Du bist was du isst?

Ja. Wir k?nnen durch die Art unserer Nahrung unsere K?rperzusammensetzung ver?ndern. Ich erkl?re das meinen Studierenden immer so: Als in den 1960er Jahren die Bauern angefangen haben, die Eierproduktion zu erh?hen, brauchten die Hühner eine billige Eiwei?quelle. Ihnen wurde damals Fischmehl gegeben, doch die Verbraucher wollten auf einmal die Eier nicht mehr essen, weil diese so fischig gerochen haben. Also verschwand das Fischmehl aus dem Hühnerfutter und kam stattdessen ins Schweinefutter. Die Verbraucher rümpften wieder die Nase, weil jetzt der Schinken und die Salami fischig rochen. Genau das passiert in unserem K?rper, wenn wir regelm??ig eine Portion fetten Meeres-Kaltwasserfisch essen, also etwa Hering, Lachs, Makrele oder Heilbutt. Wird dann nach zwei, drei Monaten eine Fettprobe entnommen, riecht diese eindeutig fischig. Uns sollte es nicht egal sein, ob wir hochwertige Pflanzen- und Fisch?le in unseren K?rper haben oder die minderwertigen Frittier- und Schlachtfette.

Helmut Heseker ist seit 1997 Professor für Ern?hrungswissenschaft an der Universit?t Paderborn und war von 2010 bis 2016 Pr?sident der Deutschen Gesellschaft für Ern?hrung e.V. (DGE e.V.). Seit 2016 ist er Mitglied in deren wissenschaftlichem Pr?sidium und seit 2013 Mitglied im Council der International Union of Nutritional Sciences (IUNS).

Weitere Informationen zur Forschung von Helmut Heseker: https://sug.uni-paderborn.de/ekg/ernw

Weitere Informationen zu ?mein beneFIT@upb.de“: /universitaet/benefit

Montage (Universit?t Paderborn, Kamil Glabica)
Foto (Universit?t Paderborn): Helmut Heseker ist seit 1997 Professor für Ern?hrungswissenschaft an der Universit?t Paderborn und war von 2010 bis 2016 Pr?sident der Deutschen Gesellschaft für Ern?hrung e.V. (DGE e.V.).

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