?360直播吧 sind ver­führ­erisch – aber hal­ten ihre Ver­sprechen nicht“

Technikforscherin Prof. Dr. Jutta Weber über die Gefahren von Kampfdrohnen

Das Verteidigungsministerium plant den umstrittenen Einsatz bewaffneter – oder zumindest bewaffnungsf?higer – Drohnen bei der Bundeswehr. Weltweit setzen zahlreiche Staaten bereits sogenannte Kampfdrohnen ein, darunter die Niederlande, Belgien und die Schweiz. Im Interview erkl?rt Prof. Dr. Jutta Weber von der Universit?t Paderborn, Expertin für Technikforschung im Bereich der Military & Critical Security Studies, warum Fernwaffen unethisches Verhalten f?rdern, warum sie V?lkerrecht verletzen und die Demokratie bedrohen.

Frau Weber, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sowie verschiedene Politiker aus Union und FDP unterstützen die Pl?ne und setzen sich für einen Einsatz bewaffnungsf?higer Drohnen ein, Vertreter von SPD und Grünen stimmen eher dagegen. Kritik gibt es viel: Unethisch und v?lkerrechtswidrig sagen die einen, zwingend notwendig und l?ngst überf?llig die anderen. Wie lautet Ihre Einsch?tzung?

Prof. Dr. Jutta Weber: Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer kann nicht überzeugend erkl?ren, genauso wie Ursula von der Leyen oder Thomas de Maizière zuvor, wozu die Bundeswehr diese Angriffswaffen braucht. Gebetsmühlenartig wird vom Schutz der eigenen Soldat*innen gesprochen, ohne genauere Begründungen oder Ausführungen zu liefern. Selbst der Koalitionspartner SPD verlangt nach konkreten Szenarien, da man bisher nur recht vage vom Schutz von Erkundungsmissionen spricht, der auch anders geleistet werden kann.

Solche Drohnen k?nnten feindliche Angriffe frühzeitig abwehren und damit zur allgemeinen Sicherheit und zum Schutz der Soldaten beitragen – so lautet die allgemeine Argumentation der Befürworter. Aber sie k?nnten auch für gezielte T?tungen eingesetzt werden – beiden Szenarien sind anderenorts Realit?t. Welche Gründe sprechen für einen Einsatz, welche dagegen?

Weber: Drohnen k?nnen keine Angriffe frühzeitig abwehren. Drohnen sind Angriffswaffen. Im Normalfall verfolgen Drohnenpilot*innen ihre Ziele über Wochen oder Monate, bevor sie t?ten. Obwohl sich aktuell auch schon andere Szenarien entwickeln. Denken 360直播吧 an den September 2019, als vermutlich Huthi-Rebell*innen aus dem Jemen mit 18 bewaffneten Drohnen und 7 Cruise Missiles die saudi-arabische Flugabwehr überw?ltigten und vorprogrammierte Ziele – ?lfelder – angriffen. Stellen 360直播吧 sich die Konsequenzen vom Einsatz solcher (halb-)autonomen Drohnenschw?rme weltweit vor. Wir müssen an einem Bann dieser Technologien arbeiten und sie nicht weiter voranbringen – ich setze mich dafür in dem wissenschaftlichen ?International Committee for Robot Arms Control“ (ICRAC) ein. In diesem Zusammenhang macht auch eine einfache Abw?gung des Dafür und Dagegen aus meiner Sicht keinen Sinn. Der Besitz und die Anwendung solcher Waffen sind niemals unschuldig und werden nicht nur unsere Kriegsführung, sondern auch generell unser Selbstverst?ndnis einer demokratischen und friedliebenden Gesellschaft ver?ndern.

Stichwort ?Joystick-Ph?nomen“: Gemeint ist die Enthemmung von Soldaten, die die Drohnen vom Boden aus steuern. Wie gro? ist das Risiko wirklich? Senken Drohnen die Hemmschwelle, Kriege zu führen?

Weber: Ich denke, das sind zwei unterschiedliche Fragen. Zum einen gibt es sicherlich einen ganz unterschiedlichen Umgang von Soldat*innen mit diesen Systemen. Fernwaffen, die gefahrloses T?ten erm?glichen, triggern bei manchen Menschen unethisches Verhalten – das kann man schon mit den Langb?gen der Engl?nder im Sp?tmittelalter oder bei dem Abwurf der Atombombe in Hiroshima beobachten. Bei der Drohnentechnologie ist wiederum interessant, dass es sich dabei zwar um Fernwaffen handelt, aber durch die Visualisierungstechnologien an Bord die Effekte der jeweiligen Handlungen für die Pilot*innen gut sichtbar sind. So müssen sie m?glicherweise dabei zusehen, wie ein Mensch langsam ausblutet und stirbt. 360直播吧 bekommen die Effekte ihrer Handlungen bei Weitem deutlicher zu sehen als Pilot*innen eines Kampfflugzeuges. Entsprechend beobachten wir h?ufig posttraumatische Belastungsst?rungen bei Drohnenpilot*innen. Und dazu sollte unsere Verteidigungsministerin m?glicherweise auch etwas sagen: Wie diese Entwicklung mit dem Schutz der Soldat*innen vereinbar ist. Der mehr als sehenswerte Film ?National Bird“ dokumentiert das Problem eindrücklich. Dort wird auch ein anderer sehr wichtiger Punkt deutlich: Die fatalen Folgen für die Zivilbev?lkerung, die angesichts der Anwesenheit von bewaffneten Drohnen unter permanenter Todesangst leben müssen – wie z. B. in bestimmten Gebieten in Pakistan, Afghanistan oder im Jemen. Ich finde es besch?mend, dass dieser zentrale humanit?re Aspekt so wenig Aufmerksamkeit bei vielen Politiker*innen findet, die sich prim?r auf die Sicherheit der eigenen Soldat*innen fokussieren. Man kann Drohnen 24 Stunden, 7 Tage die Woche einsetzen. Die Zivilbev?lkerung h?rt sie und wei? nicht, wann sie zuschlagen werden. Wir haben Studien u. a. über Gebiete in Pakistan, welche die fatalen psychischen Folgen für die Zivilbev?lkerung zeigen und sie zeigen auch, dass h?ufig Kinder aus Angst nicht mehr zur Schule geschickt werden und in den entsprechenden Gebieten der Handel weitgehend zum Erliegen kommt. Aber natürlich auch, wie viele Zivilist*innen – vor allem auch Frauen und Kinder – dort durch Hellfire-Raketen get?tet oder verstümmelt wurden.

Ein anderer wesentlicher Punkt ist, dass Drohnen die Hemmschwelle bei Politiker*innen senken, Krieg zu führen. Da man nun die Hoffnung hat, man k?nnte die eigenen Truppen der Gefahr entziehen und dennoch die eigenen geopolitischen Interessen durchsetzen – oder gar demokratische Entscheidungsprozesse umgehen: Man erinnere sich an die Argumentation des US-Pr?sidenten Obama, dass seine Intervention in Libyen keine Best?tigung des US-Kongresses brauche, da es ohne den Einsatz von Bodentruppen kein 'echter' Krieg sei. Und sehen 360直播吧 sich die Kosten des Afghanistan- oder Jemenkrieges an – weder waren sie erfolgreich, noch wurden Soldat*innen wie Zivilist*innen geschont. Drohnen sind verführerisch – aber sie halten ihre Versprechen nicht. Sicherlich k?nnen 360直播吧 mit Drohnen schnell und unauff?llig weltweit intervenieren. Mein Kollege Derek Gregory spricht von 'everywhere wars'. Aber wollen wir diese Form von westlichen Weltpolizeien etablieren?

Und denken 360直播吧 daran: Die gezielten T?tungen in Pakistan durch das US-Milit?r und die CIA wurden von vielen westlichen Medien jahrelang ignoriert, obwohl Nahost-Medien durchaus darüber berichteten. Drohnenkriege sind bis heute oft auch Schattenkriege. Ich m?chte unserem Verteidigungsministerium hier nichts unterstellen und dennoch pr?gen diese Entwicklungen auch die Erwartungen von Milit?r und Politik.

Anl?sslich der Debatte kam es in Berlin zu Demonstrationen gegen den Einsatz. Wie stark ist der Rückhalt in der Bev?lkerung und wie ist die allgemeine Stimmungslage?

Weber: Seit dem Anfang dieser Debatte gibt es eine breite Ablehnung der Anschaffung von bewaffneten Drohnen, die in diversen Umfragen dokumentiert ist. Man versucht seit mindestens 2012, die Bewaffnung von Drohnen durchzusetzen; doch man bremste z. B. 2013 den damaligen Verteidigungsminister de Maizière, der eine entsprechende Debatte wollte, weil man das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten wollte. Und ich würde vermuten, dass im Zeitalter von Corona sich für viele die Frage stellt, wieso man Milliarden für diese gef?hrliche Technologie ausgeben will, anstatt jetzt beim Milit?rhaushalt zu sparen, der in den letzten Jahren sowieso schon unverh?ltnism??ig stark angewachsen ist.

Interview: Nina Reckendorf, Stabsstelle Presse und Kommunikation

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