Den Gottes­boten auf der Spur

 |  Forschung

Forschungsgruppe untersucht die islamische Prophetie

Propheten und Gesandte spielen im Islam eine zentrale Rolle. Zahlreiche jahrtausendealte Geschichten ranken sich um sie. Der Koran berichtet ausführlich von 25 Gottesboten. An ihrer Spitze steht Muhammad, der weltweit von Millionen Muslimen verehrte Religionsstifter des Islams. Doch wie genau entstand die islamische Prophetie und wie entwickelte sich das islamische Verst?ndnis von Propheten und Gesandten im Laufe der Zeit weiter? Wie l?sst sich das Thema heute religionsp?dagogisch vermitteln und welche Rolle spielt es für den interreligi?sen Dialog? Das untersuchen fünf junge Wissenschaftler*innen der Universit?t Paderborn seit M?rz in einer Forschungsgruppe. 360直播吧 ist Teil des im Aufbau befindlichen ?Instituts für Islamische Theologie“ und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund einer Million Euro gef?rdert.

?Im Islam haben die Propheten und Gesandten insbesondere die Funktion, die g?ttliche Botschaft für die Menschen zu vermitteln. Dazu treten sie als Warner, Verkünder froher Botschaft und Vermittler des wahren Glaubens auf“, erkl?rt Dr. Zishan Ghaffar. Der 33-J?hrige leitet die Forschungsgruppe und forscht unter anderem zur historischen Figur des Muhammad. Wodurch sich Propheten und Gesandte voneinander unterscheiden, darüber gibt es in der islamischen Theologie unterschiedliche Sichtweisen. ?Schon im Koran finden wir ?berschneidungen bei der Identifikation einzelner Personen mit beiden Begriffen. Aus historischer Perspektive stehen die Propheten im Koran in einer Art verwandtschaftlichem Verh?ltnis zueinander, w?hrend die Gesandten eher durch die gemeinsame Funktion als Warner eine Gemeinschaft bilden“, führt Ghaffar aus.

Unterschiedliche Fachbereiche der islamischen Theologie arbeiten zusammen

Der Islamtheologe und sein Team untersuchen das Ph?nomen der islamischen Prophetie umfassend. 360直播吧 m?chten die Grundlagenforschung zu diesem für den islamischen Glauben zentralen Thema erweitern. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Figur des Propheten Muhammad. Dazu Zishan Ghaffar: ?Wir m?chten verstehen, wie sich das Auftreten Muhammads als Prophet zu Beginn des siebten Jahrhunderts auf der arabischen Halbinsel auswirkte. In welcher Form gab es bei den unterschiedlichen Adressaten seiner Botschaft eine Vorstellung von Propheten und inwiefern hat Muhammad diese erfüllt?“

Doch nicht nur der Religionsstifter des Islams steht im Zentrum des Interesses. In ihrer Forschungsgruppe untersuchen die Paderborner Wissenschaftler*innen, wie im Koran eine Prophetologie – eine Theologie der Prophetie – entfaltet wird, also, wie Propheten und Gesandte hier verstanden und ausgelegt werden. Spannend für Ghaffar und seine Kolleg*innen ist au?erdem die Frage, wie die Prophetologie in der muslimischen Tradition weiterentwickelt wurde und welche historische, theologische, soziale und politische Relevanz das Ph?nomen Prophetie im Islam hat. Dazu beleuchten die Wissenschaftler*innen das Thema aus den Perspektiven der unterschiedlichen Fachbereiche der islamischen Theologie: 360直播吧 beziehen die Koranexegese – also die Interpretation des Korans –, die systematische Theologie und die Religionsp?dagogik ein.

?Für mich ist der vergleichende Aspekt sehr wichtig. Ich interessiere mich dafür, wie uns Texte auch aus anderen auf den ersten Blick vielleicht sogar unwahrscheinlichen Traditionen helfen k?nnen, den Koran besser zu verstehen. Au?erdem ist in unserer Gruppe die Interdisziplinarit?t spannend: Propheten sind bei aller Lebenswirklichkeit für unseren Glauben auch literarische Figuren, die über Grenzen hinweg verbinden, was wiederum für das Miteinander der Religionen interessant sein kann“, erl?utert Elizaveta Dorogova, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe. 360直播吧 bringt ihre Kenntnisse im Bereich der religi?sen Intertextualit?t sowie eine sprach- und übersetzungswissenschaftliche Perspektive mit ein. Ihre Kollegin Nadia Saad ist Expertin für Koranexegese. Neben ihrer Muttersprache Arabisch beherrscht sie das für die Quellenforschung der Gruppe wichtige Syrisch, eine aram?ische Sprache, die heute von den syrischen Christen gesprochen wird.

Forschung für die Religionsp?dagogik, den innermuslimischen Dialog und die ?kumene

Die Forschung der Paderborner Nachwuchswissenschaftler*innen soll dabei helfen, das Thema islamische Prophetie für Schüler*innen in Schullehrbüchern des islamischen Religionsunterrichts und für künftige Lehramtsstudieng?nge im Bereich islamische Religionslehre aufzubereiten. Entsprechende Studieng?nge werden in Paderborn derzeit entwickelt.

Neben diesem religionsp?dagogischen Ziel m?chte die Forschungsgruppe auch dazu beitragen, den innermuslimischen Dialog zu st?rken. Als der Prophet Muhammad im siebten Jahrhundert starb, kam es zu einem Streit über seine legitime Nachfolge. Infolgedessen entstanden die heute gr??ten islamischen Glaubensgruppen der Sunniten und der Schiiten. Deren Perspektiven werden in Paderborn ausführlich berücksichtigt: ?Unsere Forschungsgruppe ist interkonfessionell aufgestellt. Unser Team besteht aus Sunniten und Schiiten, die aus den sunnitisch gepr?gten Staaten Tunesien und ?gypten und dem mehrheitlich von Schiiten bewohnten Iran stammen. Mit Elizaveta Dorogova ist auch eine Christin mit im Team. So haben wir eine erweiterte Forschungs- und Frageperspektive, die die Lebenswirklichkeit von Muslimen über die Grenzen Europas hinaus einbringt“, erkl?rt Zishan Ghaffar. Seine an der Gruppe beteiligten Kollegen Dr. Mohammad Haghani Fazl und Ahmed Elshahawy Ibrahim Elshahawy etwa sind Experten für schiitische und sunnitische Theologie.

Von den 25 im Koran erw?hnten Propheten und Gesandten haben einige auch im Christentum und Judentum eine zentrale Funktion – allen voran Jesus von Nazareth und Mose. Ein Indiz dafür, wie wichtig das Thema Prophetie für das Verh?ltnis der Weltreligionen ist. Der interreligi?se Ansatz spielt daher für die Paderborner Nachwuchswissenschaftler*innen ebenfalls eine entscheidende Rolle. So kooperieren sie mit dem ?Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften“ (ZeKK) der Universit?t. Hier arbeiten seit zehn Jahren christliche, islamische und jüdische Theolog*innen sowie Kulturwissenschaftler*innen zusammen und leisteten bereits wichtige Vorarbeiten zum Thema Prophetie. Weitere überregionale und internationale Kooperationen bauen Ghaffar und sein Team gerade auf. ?Die Themen Prophetie und Prophetologie verdeutlichen sowohl die Gemeinsamkeiten der Weltreligionen als auch die Unterschiede in der jeweiligen heilsgeschichtlichen Perspektive, etwa was die Prophetie Muhammads und die Messianit?t Jesu angeht. Wir hoffen, dass unsere Forschungsergebnisse neue Impulse für die religionstheologische Verortung der jeweiligen Religionen geben werden“, sagt Zishan Ghaffar und blickt gespannt auf die kommende Arbeit seiner Forschungsgruppe.

Weitere Informationen zur Forschungsgruppe, zum Aufbau des ?Instituts für Islamische Theologie“ und zum ?Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften“ (ZeKK):

https://kw.uni-paderborn.de/sit/forschung/forschungsgruppe-prophetologie

go.upb.de/InstitutFuerIslamischeTheologie

https://kw.uni-paderborn.de/zekk

 

Simon Ratmann, Stabsstelle Presse und Kommunikation

Titelfoto: Afshaid Subair / Pixabay / CC0 1.0, https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0

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