Neues medienwissenschaftliches Forschungsprojekt gestartet
Immer wieder erobern neue Medien unsere Welt. 360直播吧 ver?ndern unser Leben – im Berufsalltag wie im Privaten. Als Computer ihren weltweiten 360直播吧geszug antraten, hatte das auch Folgen für unser Wohnen. In einem neuen Forschungsprojekt gehen Wissenschaftler*innen am Institut für Medienwissenschaften der Universit?t Paderborn dem auf den Grund. Das Projekt ?Einrichtungen des Computers. Zum Zusammenhang von Wohnen und Computer“ startete im Oktober, ist auf drei Jahre angelegt und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gef?rdert.
Unter welchen historischen Bedingungen und mit welchen Auswirkungen wurde der Computer zum Bestandteil unseres Wohnalltags? Welche Vorstellungen des H?uslichen und entsprechender Wohnformen waren dabei über die Jahrzehnte pr?gend? Die Projektleiterinnen Prof. Dr. Christina Bartz und Dr. Monique Miggelbrink und ihr Team – der Post-Doc-Mitarbeiter Dr. Felix Hüttemann und die studentische Hilfskraft Rebecca Corrent – suchen nach Antworten. Dafür werten die Forschenden Zeitschriften und Kataloge zu den Themen Wohnen und Computer aus den 1960er bis 1990er Jahren aus. ?Diese Zeitschriften und Kataloge wurden bisher nicht unter dem Aspekt der Computergeschichte untersucht und systematisiert. Wir wollen beleuchten, wie sich Medienkultur daheim im Privaten – im Wohnumfeld von Computernutzerinnen und -nutzern – gestaltet“, erkl?rt Monique Miggelbrink.
IKEA-Kataloge eine gro?e Fundgrube
Besonders aufschlussreich für die Medienwissenschaftler*innen sind IKEA-Kataloge: ?Kataloge von IKEA haben eine gro?e Reichweite und sind daher beim Betrachten von Wohnkultur sehr interessant. Darüber hinaus pr?sentieren diese Kataloge und die anderen Einrichtungszeitschriften ganze Wohnmilieus, zeigen den Computer also nicht als Einzelger?t, sondern eingebunden in eine Wohnungseinrichtung“, erz?hlt Christina Bartz. Laut der Forscherin seien die Kataloge des schwedischen Einrichtungskonzerns au?erdem spannend, weil sie auf bestehende Wohnprobleme reagierten und eine interkulturell vergleichende Perspektive b?ten: ?IKEA wirbt regelm??ig damit, Einrichtungsl?sungen anzubieten. Das deutet auf Wohnprobleme und auf die Vorstellung von st?rungsfreiem Wohnen hin. Ein Vergleich der schwedischen und deutschen Katalog-Ausgaben wiederum zeigte uns bereits, dass es l?nderspezifische Unterschiede bei der Kataloggestaltung und der abgebildeten Einrichtungen gibt.“
Die Arbeitsecke h?lt Einzug
In den 1950er und 1960er Jahren waren Computer noch gro?e, raumfüllende technische Systeme. Ab den 1980ern zogen dann kleinere Ger?te, die Personal Computer (PC), in Büros und in erste Privathaushalte ein. ?Die Gestaltung des PCs, so eine unserer Arbeitsthesen, war gepr?gt vom Prozess seiner Verh?uslichung. Steve Jobs etwa lie? sich beim Gestalten des ?Apple II‘ vom Design einer Küchenmaschine inspirieren“, berichtet Felix Hüttemann. Trotz dieser Versuche, PCs m?glichst unauff?llig in den Wohnbereich zu integrieren, wurden die im Vergleich zu heute sperrigen Ger?te anfangs von manchen als St?rung des Alltags und der h?uslichen Ordnung betrachtet – unter anderem, weil die Wohnungseinrichtungen keinen Platz für das neue Medium vorsahen. Erste Auswertungen der untersuchten Kataloge und Zeitschriften zeigen, wie darauf reagiert wurde: ?In den bereits analysierten Einrichtungskatalogen und -zeitschriften werden neue Arrangements des Wohnens angeboten, vor allem in Form einer eigens eingerichteten Arbeitsecke mit Computerschreibtisch. Die Arbeitsecke wurde schon in Zeitschriften der 1950er und 1960er Jahre etabliert und die Schrankwand zum zentralen Bezugspunkt, da hier verschiedene Medien – erst die Schreibmaschine und das Telefon, dann der PC – aufgebaut werden konnten“, erl?utert Monique Miggelbrink.
Umverteilung h?uslicher Handlungsmacht
Wurden die Gro?computer der 1950er und 1960er Jahre noch von Fachkr?ften bedient, standen die Personal Computer in Haushalten theoretisch jedem zur Verfügung. Doch war das wirklich so? ?Mit dem Aufkommen von Computern im Privaten stellte sich die Frage, wer Zugang zu ihnen haben sollte und wer nicht. Unser Forschungsprojekt ist daher auch als machtanalytische Studie zu verstehen. Mit dem Einzug von PCs in den Wohnbereich, so unsere Annahme, wurde die h?usliche Handlungsmacht umverteilt“, erkl?rt Monique Miggelbrink. Die Projektleiterinnen und ihr Team wollen zeigen, wie stark die Einführung von Haushalts-Computern mit sozialen Ungleichheiten zusammenhing – insbesondere was die Aspekte Geschlecht, Ethnie, Alter, soziale Klasse und Diversit?t angeht – und wie das digitale Kulturen bis heute pr?gt.
Die rasante Entwicklung der digitalen Welt seit den 1990er Jahren und das durch Corona brandaktuelle Thema Homeoffice berücksichtigt das Projektteam bei seinen Untersuchungen ebenfalls. ?Die seit den 1990er Jahren verst?rkte Mobilisierung der PCs führte dazu, dass das Arbeiten nicht mehr an die Arbeitsecke oder das Arbeitszimmer gebunden ist, sondern mit dem Laptop theoretisch überall im Wohnbereich stattfinden und auch wieder nach drau?en verlagert werden kann – etwa in Cafés oder Co-Working-Spaces. Die Pandemie hat die Aufmerksamkeit erneut verst?rkt auf Arbeitsecken und Arbeitszimmer im eigenen Wohnbereich gelenkt“, so Christina Bartz.
Weitere Kataloge und Zeitschriften gesucht
Im Sinne des Open Science-Ansatzes werden die Ergebnisse des dreij?hrigen Forschungsprojekts in einer Datenbank ver?ffentlicht und die erworbenen IKEA-Kataloge an die Universit?tsbibliothek übergeben. So k?nnen künftige Forschungsprojekte auf der Materialsammlung des Projekts aufbauen. Für die allgemeine ?ffentlichkeit sollen die Projektergebnisse und -materialien in Form einer kleinen Ausstellung im Foyer des Paderborner ?Heinz Nixdorf MuseumsForum“, dem weltweit gr??ten Computermuseum, aufbereitet werden.
Wer noch Kataloge und Zeitschriften zu den Themen Einrichtung und Computer aus den 1960er bis 1990er Jahren besitzt und diese abgeben m?chte, kann sich gerne ans Projektteam wenden: reco@campus.uni-paderborn.de. Gesucht werden IKEA-Kataloge (dank einer gro?zügigen Spende nur noch die Jahrg?nge 1974 und 1975), Ausgaben von Einrichtungszeitschriften wie ?Sch?ner Wohnen“, ?Haus und Heim“, ?Die Kunst und das sch?ne Heim“, ?m?bel kultur“, ?Form“ sowie Ausgaben von Computermagazinen wie ?Chip“ und ?c’t“.
Simon Ratmann, Stabsstelle Presse, Kommunikation und Marketing