Fu­tu­ris­ti­sche Form­wand­ler: al­go­rith­mi­sche Grund­la­gen für neu­ar­ti­ge pro­gram­mier­ba­re Ma­te­rie

 |  ForschungPressemitteilungFakult?t für Elektrotechnik, Informatik und MathematikInstitut für InformatikTheorie verteilter Systeme

Der Stoff, aus dem Science-Fiction-Filme sind: Seit Jahrzehnten inspiriert sogenannte ?programmierbare Materie“ Filmemacher*innen und Kinobegeisterte weltweit. 360直播吧 ist in der Lage, ihre Gestalt und Eigenschaften wie z. B. Farbe, Form und Elastizit?t entweder eigenst?ndig oder basierend auf ?u?eren Einflüssen zu ver?ndern. Als Gegenstand der Forschung ist programmierbare Materie auch für Wissenschaftler*innen von Interesse. Bisherige Ans?tze weisen allerdings eine Reihe von Unzul?nglichkeiten auf. Wissenschaftler*innen der Universit?t Paderborn arbeiten deshalb daran, die zugrundeliegenden Modelle und Algorithmen zu verbessern, die die futuristischen Formwandler m?glich machen sollen. Das Forschungsprojekt CIRPROM (?Algorithmische Grundlagen für schaltkreisbasierte programmierbare Materie“), geleitet von Prof. Dr. Scheideler, wird bis 2027 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 350.000 Euro gef?rdert.

 ?In Filmen gibt es Lebewesen, Roboter und sonstige Konstrukte, die ihre Form und ihr Aussehen flexibel anpassen k?nnen. Technologisch sind wir aber noch weit davon entfernt, programmierbare Materie mit solchen Eigenschaften zu realisieren“, erkl?rt Scheideler, Informatiker an der Universit?t Paderborn. ?Um herauszufinden, welche Technologie am vielversprechendsten ist, müssen zun?chst geeignete Modelle entworfen und auf ihre F?higkeiten bezüglich der wichtigsten Anwendungen für programmierbare Materie untersucht werden. Hier hat sich zwar in den letzten Jahren viel getan, allerdings sind die bisherigen Ans?tze entweder nicht universell einsetzbar oder einfach viel zu langsam, was die Formwandlung angeht“, so der Wissenschaftler weiter.

?Unsere Vision der programmierbaren Materie baut auf dem sogenannten ?Amoebot-Modell‘ auf, das wir vor rund zehn Jahren vorgeschlagen und seitdem st?ndig weiterentwickelt haben. Als Vorbild haben wir Am?ben genommen“, sagt Scheideler. Das sind primitive Einzeller, die sich mittels Expansionen und Kontraktionen fortbewegen. Das Team um den Informatiker modelliert die Amoebots als einfache Roboter auf Mikro- oder Nano-Ebene, die sich mit anderen Amoebots verbinden und mit diesen interagieren k?nnen. Dadurch k?nnen sie komplexe Formen bilden. Scheideler: ?Durch kürzliche Erweiterungen des Modells sind die Roboter nun in der Lage, innerhalb dieser Formen Strukturen aufzubauen, die an die Funktionsweise von Nervenbahnen und Muskeln erinnern. So k?nnen Informationen ausgetauscht und Bewegungen synchronisiert werden, was dazu führt, dass rapide Formwandlungen und -heilungen jetzt prinzipiell m?glich sind.“

Zwar haben die Wissenschaftler*innen bereits eine Reihe von Problemen gel?st, Hürden gibt es aber weiterhin: ?Die schnelle Bestimmung eines Amoebots, der die Koordination der anderen Amoebots übernimmt, und die rapide Kompassanpassung, damit sich die Bots im Klaren darüber sind, in welche Richtung eine synchronisierte Bewegung zu erfolgen hat, sind bereits m?glich. Gro?e Herausforderungen sind aber nach wie vor, wie durch eine gezielte Abfolge von Bewegungsvorg?ngen eine Zielform am schnellsten erreicht werden kann, wie besch?digte Formen m?glichst schnell erkannt und repariert werden k?nnen und wie Energie am effektivsten dorthin geleitet werden kann, wo sie für die Formtransformationen ben?tigt wird. Solche Algorithmen sind für eine sp?tere technische Umsetzung essenziell“, so Scheideler weiter.

Zus?tzlich zur Formwandlung k?nnten die Bots auch zur Heilung innerer Verletzungen im medizinischen Bereich oder bei der strukturellen ?berwachung und Reparatur von Maschinen und Geb?uden zum Einsatz kommen: ?Die Anwendungsm?glichkeiten sind riesig. Das Thema ist für die Industrie, die Medizin und die Gesellschaft im Allgemeinen von gro?er Bedeutung“, h?lt Scheideler fest. Bis die Bots aber tats?chlich einsatzbereit sind, wird es wohl noch einige Jahrzehnte dauern.

Der Wissenschaftler, der am Institut für Informatik in Paderborn das Fachgebiet ?Theorie verteilter Systeme“ leitet, besch?ftigt sich in seiner Forschung schon seit vielen Jahren mit der Entwicklung von Modellen, Methoden und Architekturen für verteilte Systeme, wie es das Amoebot-Modell ist. Neben der klassischen Entwicklung verteilter Algorithmen und Datenstrukturen geht es dabei auch um Methoden selbststabilisierender und -optimierender Systeme.

Symbolbild (Universit?t Paderborn, Besim Mazhiqi)
Grafik (Universit?t Paderborn, Scheideler): Visualisierung eines Amoebotsystems, das Schaltkreise ausgebildet hat.