Mit VR-Brille und Controller lernen Studierende der Universit?t Paderborn im ?VirtuChemLab“ die Grundlagen laborpraktischer Arbeit
Eine Flamme zischt aus dem Bunsenbrenner, in einem Becherglas siedet Wasser und im Hintergrund summen und blinken Messger?te. Hendrik Peeters wiegt eine Portion Natriumhydroxid ab und beobachtet den Temperaturverlauf beim L?sen des Stoffes in Wasser. Das alles wirkt verblüffend real, doch Peeters, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Chemiedidaktik an der Universit?t Paderborn, befindet sich in einem virtuellen Chemielabor. Vor ihm erstrecken sich Regale mit Reagenzgl?sern, Flaschen mit Chemikalien und die vertraute Arbeitsbank mit allem n?tigen Equipment. Seit zwei Jahren erproben Studierende der Universit?t das ?VirtuChemLab“, in dem zukünftig orts- und zeitunabh?ngig Versuche durchgeführt und so grundlegende Vorg?nge der laborpraktischen Arbeit erlernt werden sollen. M?glich wird das durch den Einsatz von Virtual Reality (VR).
Durch Controller mit virtueller Umgebung interagieren
?Es ist beeindruckend, wie realistisch alles wirkt. Man fühlt sich, als w?re man wirklich im Labor, nur dass man hier mehr Freiheiten hat“, sagt Peeters, w?hrend er mit einer Hand die Gaszufuhr des Brenners schlie?t. Mithilfe von Controllern, die seine Handbewegung pr?zise erfassen, kann er mit seiner virtuellen Umgebung interagieren. ?Durch verschiedene Versuche lernen die Studierenden, wie chemische Prozesse ablaufen und Substanzen miteinander reagieren. Ein Beispiel ist das L?sen von Natriumhydroxid in Wasser, bei dem die durch den L?seprozess bedingte Temperatur- und pH-Wert-?nderung gemessen werden kann“, erkl?rt Jan-Luca Hansel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachgruppe ?Theorie verteilter Systeme“ des Instituts für Informatik, die die Weiterentwicklung des virtuellen Labors im Rahmen des Projekts ?VR@UPB” leitet.
Die grundlegende Idee von ?VR@UPB“ ist es, auf verschiedenen Ebenen die Infrastruktur für einen virtuellen Campus zu schaffen, bei dem sich Lehrende und Studierende einbringen k?nnen. ?Laborpraktika sind essenzieller Bestandteil naturwissenschaftlicher Studieng?nge. Gerade zu Beginn zeigt sich allerdings, dass Studienanf?nger*innen mit unterschiedlichen praktischen Erfahrungen aus der Schule an die Universit?t kommen. Das virtuelle Chemielabor soll dieser Diskrepanz Rechnung tragen“, erkl?rt Peeters. Dabei bringe die virtuelle Realit?t auch abseits der Chemie spannende neue M?glichkeiten für den Uni-Alltag. ?Neben Anwendungen wie unserem virtuellen Labor w?re es beispielweise auch denkbar, in Seminaren Nachbildungen ferner oder antiker Orte virtuell zu besuchen. Das macht Themen greifbarer und ist sicherlich auch eine willkommene Abwechslung zum Lesen von Texten“, so Hansel. Finanziert durch F?rdermittel der Universit?t in H?he von rund 957.000 Euro, vereint das Projekt Expertise aus den Bereichen Chemie, Chemiedidaktik, Informatik, Anglistik, Medienwissenschaften und dem Zentrum für Informations- und Medientechnische Dienste (ZIM).
Experimente mit nahezu allen chemischen Elementen
Prinzipiell sind im virtuellen Labor Experimente mit nahezu allen chemischen Elementen m?glich. So k?nnten zukünftig auch Experimente zum Thema Wasserstoff realisiert werden. Beispielsweise lie?e sich dann mit einem virtuellen Hofmannschen Zersetzungsapparat die Elektrolyse von Wasser zur Herstellung von Wasserstoff durchführen – ein zukunftsweisendes Thema. Peeters entwirft eine Vision des Versuchs: ?Zuerst wird die Apparatur mit verdünnter Schwefels?ure gefüllt, um die elektrische Leitf?higkeit zu erh?hen. Nach dem Anschlie?en der Elektroden an die Stromquelle schalten die Studierenden das Netzger?t ein. Sofort beginnen kleine Bl?schen aufzusteigen – ein Zeichen dafür, dass auf der einen Seite Sauerstoff und auf der anderen Seite Wasserstoff entsteht. Mit etwas Geschick kann danach der Wasserstoff in ein Reagenzglas abgefüllt und vorsichtig zur Brennerflamme geführt werden. Ein leises ?Plopp‘ best?tigt, dass es sich um Wasserstoff handelt – die Knallgasprobe war erfolgreich.”
Zusammenarbeit im virtuellen Raum
Um die Laborbedingungen noch realistischer zu machen, gibt es im ?VirtuChemLab“ einen Multiplayer-Modus. Dieser erm?glicht, dass mehrere Studierende gleichzeitig im virtuellen Labor arbeiten und von Lehrenden unterstützt werden. ?ber die in der VR-Brille verbauten Mikrofone und Kopfh?rer k?nnen sie miteinander kommunizieren, als stünden sie nebeneinander. Zus?tzlich gibt es einen virtuellen Seminarraum für Besprechungen, Pr?sentationen und den Austausch von Dokumenten. Neue Versuchsabl?ufe k?nnen Anwender*innen auch ohne vorherige Programmier- oder Softwarekenntnisse hinzufügen. Künftig soll es au?erdem einen Mechanismus geben, mit dem das VR-System auf die Handlungen der Studierenden im Labor in Form von Feedback oder Hilfestellungen interaktiv eingehen kann. ?Dass man hier die Arbeitsbank und Materialien nicht aufr?umen und reinigen muss, sondern das Programm einfach beendet, ist sicherlich auch ein Vorteil“, sagt Peeters l?chelnd und nimmt die VR-Brille ab.