Vom 5. bis 9. M?rz fand an der Universit?t Paderborn die GDMV-Tagung mit über 1.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Mathematik und Mathematikdidaktik statt. In mehr als 700 Vortr?gen, Symposien und 360直播吧s wurden aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse diskutiert. Im Interview berichtet eine der Hauptvortragenden der Tagung, Prof. Dr. Susanne Prediger vom Institut für Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts an der Technischen Universit?t Dortmund, von klassischen Verst?ndnisproblemen, gutem Mathematikunterricht und gesellschaftlichen Rollenbildern.
Liebe Frau Prediger, die gro?e Besonderheit der GDMV-Tagung war die Kommunikation über fachmathematische und mathematikdidaktische Forschung und Lehre. Was k?nnen die unterschiedlichen Wissenschaften voneinander lernen?
?Die Mathematikdidaktik ist aus der Fachmathematik entstanden, hat sich aber in den letzten 40 Jahren als eigenst?ndige wissenschaftliche Disziplin etabliert. An den Hochschulen ist die Hochschuldidaktik ein wachsendes Arbeitsfeld der Didaktik, in dem Fachmathematikerinnen und -mathematiker praktisch arbeiten. Wenn wir also die Hochschuldidaktik verbessern wollen, dann machen wir das gemeinsam. Hier auf der Tagung konnten Didaktikerinnen und Didaktiker erfahren, welche neuen mathematischen Methoden und Kenntnisse es gibt. Umgekehrt konnten sich Fachmathematikerinnen und -mathematiker anh?ren, wie die Lernst?nde und Lernprozesse der Studierenden verlaufen. Inzwischen haben viele Standorte erkannt, dass es sich lohnt, sich gezielt um die Lehramtsstudierenden zu kümmern. Denn wenn man Lehrerausbildung lieblos gestaltet, schickt man schwache Lehrkr?fte in die Schule und bekommt damit auch schwache und uninteressierte Schülerinnen und Schüler. Die beste Nachwuchsf?rderung ist also zun?chst mal die Investition in die Lehrkr?fte.“
Wie erforscht man denn eigentlich Mathematikunterricht?
?Wir müssen erst einmal erforschen, wie das Lernen von Mathematik überhaupt funktioniert, was beim Lernen schwierig ist und vor allem warum. Anschlie?end stellt sich die Frage, wie man die Lernenden dabei unterstützen kann. Dazu filmen wir zun?chst zwei Schüler, nachdem wir ihnen Aufgaben gestellt haben, und beobachten, was sie da tun, und versuchen herauszufinden, wo sie Probleme haben. Dann untersuchen wir in ganzen Klassen, wie der Unterricht gestaltet werden kann. Wenn wir dazu Forschungsergebnisse haben, dann tragen wir sie auch in die Lehrerausbildung und -fortbildung. Dazu ist das Deutsche Zentrum für Lehrerbildung Mathematik eine wichtige Schnittstelle geworden.“
Fachdidaktische Entwicklungsforschung in der Mathematik – wie sieht die aus?
?Wissenschaft besteht aus Forschung und Entwicklung. Das hei?t, wir entwickeln ganz konkrete Produkte wie Schulbücher oder Lernumgebungen, um Lernende zu unterstützen, damit sie besser lernen k?nnen. Diese Produkte und Methoden erforschen wir dann. Die Forschung soll dazu beitragen, sp?tere Lernsituationen zu verbessern.“
Was sind die klassischen Verst?ndnisprobleme in der Mathematik der Unter-, Mittel- und Oberstufe?
?Die Probleme sind strukturell ganz ?hnlich. Oft werden aber die sprachlichen Voraussetzungen untersch?tzt, was dazu führt, dass wir einige Lernende abh?ngen. Diese Hürden gibt es sogar bis hin in die Universit?ten. Aber: An jeder Stelle, an der die Mathematik einen Abstraktionsschub macht, verlieren wir Schülerinnen und Schüler. Das beginnt schon beim ersten Aufstellen einer Rechenaufgabe in der Grundschule. ?hnlich ist es bei der Einführung der Brüche. Dann kommt die Variable in den Klassen 7 und 8. Das ist dann die Stelle, an der die Nachhilfezahlen messbar in die H?he schnellen. Und sp?ter natürlich der ?bergang von der Schule in die Hochschule.“
Drei Dinge, die man als Lehrkraft tun kann.
?Zum einen muss mehr visualisiert werden – wir müssen die unsichtbaren Strukturen sichtbar machen. Visualisierungen erm?glichen es, und das ist der zweite Punkt, Denkprozesse zu kanalisieren. Und drittens lohnt es sich, die Sprache zu unterstützen und beispielweise Vokabeln an die Hand zu geben, damit die Lernenden auch Kompliziertes ausdrücken k?nnen.“
Gibt es Unterschiede beim Mathematikverst?ndnis zwischen Frauen und M?nnern?
?Bei den Zehnj?hrigen gibt es keinen messbaren Unterschied im mathematischen Verst?ndnis – bei den 15-J?hrigen schon. In der Pubert?t, der Zeit der Rollenfindung, lassen sich noch immer viele M?dchen einreden, dass sie das erstens nicht k?nnen müssen und zweitens sich nicht dafür interessieren sollten. Studien zeigen, dass es nicht an den kognitiven Grundvoraussetzungen liegt, sondern allein an gesellschaftlichen Rollenbildern und Selbstkonzepten. Die Unterschiede sind dabei nicht gro?, aber da. Schule kann etwas dagegen tun und mehr M?dchen für MINT-Studieng?nge gewinnen.“
Die Fragen stellten Johannes Pauly und Nina Reckendorf von der Stabsstelle Presse und Kommunikation der Universit?t Paderborn.