Wie nah kommt Künst­li­che In­tel­li­genz heu­te schon der mensch­li­chen?

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Themenspecial ?Künstliche Intelligenz“

Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gef?rderten Wissenschaftsjahr dreht sich 2019 alles um das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Schon heute bestimmen Anwendungen, die auf Digitalisierung und Maschinellem Lernen basieren, weite Bereiche unseres Lebens: Von virtuellen Assistenzsystemen über Industrieroboter bis hin zu humanoiden Pflegekr?ften – die intelligenten Maschinen nehmen uns viel Arbeit ab. Wie diese Systeme funktionieren und welche gesellschaftlichen Implikationen es dabei gibt, er?rtern Paderborner Wissenschaftler*innen im Rahmen eines Themenspecials. Dabei liegt der Fokus auf ihrer Forschung, mit der sie die Entwicklung mitgestalten.

Prognosen, Chancen und Risiken - Prof. Dr. Eyke Hüllermeier über Grundlagen der KI

Prof. Dr. Eyke Hüllermeier, Leiter des Fachgebiets ?Intelligente Systeme und Maschinelles Lernen“ der Universit?t Paderborn, erkl?rt im Gespr?ch, wie Künstliche Intelligenz funktioniert, wie sie dem Menschen viel über sein eigenes Verhalten verraten kann und wagt einen Blick in die Zukunft.

Künstliche Intelligenz scheint immer komplexer zu werden und beeinflusst unser Leben st?rker denn je. Was genau ist Künstliche Intelligenz? Und was steckt hinter intelligenten Systemen?

Hüllermeier: Künstliche Intelligenz ist eine wissenschaftliche Disziplin, die oft der Informatik zugeordnet wird. 360直播吧 hat aber auch Berührungspunkte mit vielen anderen Fachgebieten wie der Mathematik, den Ingenieurwissenschaften, der Psychologie, den Neurowissenschaften, der Biologie, der Philosophie und der Linguistik. Eine pr?zise Definition des Begriffes ?KI“ gibt es nicht. Marvin Minsky, einer der V?ter der KI, hat einmal gesagt: ?Artificial Intelligence is the science of making machines do things that would require intelligence if done by men“, aber dies führt unmittelbar zu der nicht minder schwierigen Frage nach der menschlichen Intelligenz. Gem?? der heute vorherrschenden Auffassung, besch?ftigt sich die KI mit Methoden zur Entwicklung sogenannter ?probleml?sender Agenten“, die sich im Sinne einer zu l?senden Aufgabe m?glichst rational verhalten und sich gleichzeitig durch ?menschliche“ Eigenschaften wie Lernf?higkeit, Autonomie, Fehlertoleranz etc. von anderen Softwaresystemen abgrenzen. Die Umsetzung solcher Ans?tze für konkrete Anwendungen bezeichnet man als intelligente Systeme, wobei es sich sowohl um Hardware, z. B. einen Roboter, als auch um Software, wie ein Empfehlungssystem, handeln kann.

KI-Forscher unterscheiden dabei verschiedene Stufen und Formen der KI. Als ?Schwache KI“ gilt die Simulation intelligenten Verhaltens, bei der die Maschine einzelne, konkrete Aufgaben besonders gut beherrscht, dazu z?hlt z. B. Spracherkennung oder individuelle Werbung. ?360直播吧e KI“ dagegen spricht Maschinen ein Bewusstsein, Empfindungsverm?gen und eigenst?ndiges Handeln zu. Als quasi ?universelle Intelligenz“ verfügt diese KI über die gleichen intellektuellen Fertigkeiten wie der Mensch oder übertrifft ihn sogar darin.

In der Geschickte der KI hat es unterschiedliche Paradigmen zum Entwurf intelligenter Systeme gegeben. In den 1980er und 90er Jahren waren z. B. sogenannte ?Expertensysteme“ sehr erfolgreich, die versucht haben, menschliches Expertenwissen zu formalisieren, beispielsweise in Form einfacher ?Wenn-Dann-Regeln“, um diese der logischen Verarbeitung durch den Computer zug?nglich zu machen. Derzeit wird die KI dominiert durch Methoden des Maschinellen Lernens, die darauf abzielen, ein KI-System basierend auf empirischen Daten, die es durch Interaktion mit seiner Umgebung erzeugen kann, zu ?trainieren“ – statt sein Verhalten explizit zu programmieren –  und somit seine Performanz erfahrungsbasiert zu verbessern. Meine Arbeitsgruppe widmet sich ebenfalls der grundlagenorientierten Forschung in diesem Bereich. Am Paderborn Institute for Data Science and Scientific Computing (DaSCo) forschen wir zudem gemeinsam mit anderen Fachgruppen an der Kombination datengetriebener Methoden der Data Science und des Maschinellen Lernens mit klassischen Ans?tzen der mathematischen Modellierung und Simulation, was speziell für Anwendungen in den Ingenieurwissenschaften von Interesse ist.

Wie nah kommt Künstliche Intelligenz heute schon der menschlichen? K?nnen wir als Menschen sogar von Künstlicher Intelligenz lernen?

Hüllermeier: Obwohl Maschinen inzwischen viele Aufgaben übernehmen, die bislang dem Menschen vorbehalten waren, sind die Eigenschaften von Mensch und Maschine oft sehr unterschiedlich und ihre St?rken komplement?r. Maschinen k?nnen sehr pr?zise rechnen, Informationen logisch konsistent verarbeiten, schnell, systematisch und ausdauernd suchen und Muster in hochkomplexen Daten entdecken. Im Vergleich zum Menschen sind sie aber deutlich weniger robust, und es mangelt ihnen (noch) am ?gesunden Menschenverstand“. KI-Systeme sind meist extrem spezialisiert auf eine Aufgabe, die sie gut beherrschen. Diese F?higkeit ist jedoch in keinerlei Alltagswissen eingebettet. Etwas vereinfacht k?nnte man sagen, dass die Maschine wenige Dinge sehr gut kann, w?hrend der Mensch sehr viele Aufgaben mehr oder weniger gut meistert.    

Die Frage, was Menschen von Maschinen lernen k?nnen, ist ?hnlich zu der Frage, was V?gel von Flugzeugen lernen k?nnen. Eigentlich ist man ja eher umgekehrt daran interessiert, Maschinen ?menschlicher“ zu machen. Aber allein die Diskussion über Eigenschaften wie Rationalit?t und Fairness, die wir von Maschinen erwarten, bewirkt natürlich, dass wir uns auch selbst kritisch damit auseinandersetzen müssen. KI kann uns viel über unser eigenes Verhalten verraten. Beispielsweise k?nnte ein maschinelles Lernverfahren, das die Entscheidungen eines Richters als Trainingsinformation verwendet, um ein pr?diktives Modell zu konstruieren, dabei helfen, das Entscheidungsverhalten des Richters transparent zu machen – vorausgesetzt natürlich, das Modell selbst besitzt eine gewisse Interpretierbarkeit.   

Die KI-Anwendungsfelder scheinen derzeit unendlich. Welche Bereiche betrifft KI gegenw?rtig und wo wird sie eingesetzt? Was erwartet uns in Zukunft?

Hüllermeier: Tats?chlich gibt es kaum noch Bereiche, in denen die KI nicht Einzug gehalten hat oder zumindest dabei ist, dies zu tun. Besonders bekannte Anwendungen der KI sind derzeit intelligente Systeme im industriellen Kontext, beispielsweise Roboter oder intelligente Wartungssysteme in der industriellen Fertigung, Stichpunkt ?Industrie 4.0“, Personalisierungs- und Empfehlungssysteme von Google, Amazon und Co. oder das autonome Fahren. Aber auch in vielen anderen Gebieten, wie der Medizin, ist die KI auf dem Vormarsch. Dabei spielt anwendungsorientierte Forschung eine gro?e Rolle, wie wir sie im Kompetenzbereich ?Smart Systems“ des Software Innovation Campus Paderborn (SICP) betreiben. Als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Industrie entwickeln wir dort gemeinsam mit Unternehmen L?sungen für Probleme aus der industriellen Praxis, um beispielsweise die Effizienz in der Produktion zu steigern.

Prognosen zur Entwicklung der KI lagen allerdings schon in der Vergangenheit regelm??ig daneben und sind angesichts der rasanten technischen Entwicklung heutzutage nicht leichter geworden. Sicher ist, dass die KI einen enormen Einfluss auf alle Bereiche unseres Lebens und unserer Gesellschaft haben wird. Spannend, aber weitgehend offen, ist die Frage, wann die KI einen Reifegrad erreicht haben wird, der sie kognitiv auf eine Stufe mit dem Menschen stellt, und ob dies überhaupt gelingt.

Dadurch ergeben sich viele Herausforderungen und neben globalen Chancen auch globale Risiken. Wo liegen Ihrer Ansicht nach M?glichkeiten der KI und wann wird sie gef?hrlich?

Hüllermeier: Im Sinne von Assistenzsystemen k?nnen KIs die F?higkeiten des Menschen verbessern und optimal erg?nzen, z. B. die Expertise des Arztes bei der medizinischen Diagnose und Therapieplanung. Viele T?tigkeiten, die monoton und für den Menschen sehr anstrengend sind, wie in der industriellen Fertigung, k?nnen sogar komplett automatisiert werden. Auf diese Weise kann KI unsere Lebensqualit?t deutlich verbessern. Aber man kann sicherlich noch weiterdenken. Viele der gro?en Herausforderungen unserer Zeit, sei es Klimawandel, Weltern?hrung oder die Bek?mpfung von Krankheiten, werden wir mit dem Einsatz von KI deutlich besser meistern k?nnen als ohne.

Aber natürlich gibt es keine Chancen ohne Risiken. Viele wichtige Fragen, vor allem rechtlicher Natur, sind noch vollkommen ungekl?rt. Auch die gesellschaftlichen Implikationen sind derzeit nur schwer absch?tzbar, sicher lauern auch hier gewisse Gefahren. Man blicke nur nach China, wo bereits jetzt Social Scoring Systeme eingesetzt werden, die aus ethischer Sicht viele Fragen aufwerfen. Auch wenn Computersysteme Entscheidungen über die Vergabe von Krediten oder Jobangebote der Arbeitsagentur treffen, ist jeder Bürger potenziell betroffen und muss sich Gedanken über Aspekte wie Fairness, Transparenz und die Gefahr der Diskriminierung machen.

Von Science-Fiction-Szenarien, in denen KI-Systeme ihren eigenen Willen entwickeln und die Weltherrschaft anstreben, sind wir meines Erachtens aber weit entfernt. Dennoch existieren reale Gefahren, denen man sich bewusst sein muss, denn bereits viele der praktisch eingesetzten autonom agierenden KI-Systeme sind nicht mehr vollst?ndig kontrollierbar. Man betrachte allein das Beispiel des automatisierten Handels, wo im Millisekundentakt über Millionenbetr?ge entschieden wird. Dabei erscheinen finanzielle Risiken wie Kursabstürze im Vergleich zu den Gefahren autonomer Waffensysteme noch geradezu harmlos.  

Das Interview führte Jennifer Strube, Stabsstelle Presse und Kommunikation.

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Foto/Grafik (Universit?t Paderborn): Das Themenspecial befasst sich mit ausgew?hlten Projekten zum Thema Künstliche Intelligenz.
Foto (Universit?t Paderborn, Jan Braun): Prof. Dr. Eyke Hüllermeier ist Leiter des Fachgebiets ?Intelligente Systeme und Maschinelles Lernen“ an der Universit?t Paderborn.

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