Mi­cha­el Kumpf­mül­ler über­nimmt die 38. Gast­do­zen­tur für Schrift­stel­le­r­in­nen und Schrift­stel­ler

Der Schriftsteller Michael Kumpfmüller übernimmt am Montag, 2. Dezember, die 38. Paderborner Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universit?t Paderborn. Die Gastdozentur wurde 1983 eingerichtet und ist ein Angebot der Hochschule für alle, die in Paderborn und Umgebung an Literatur interessiert sind. Die Gastdozentur findet montags von 16.15 Uhr bis 17.45 Uhr mit Vortr?gen und Lesungen im H?rsaal G statt. Zuletzt hatten die Schriftsteller Markus Orths und Michael Roes die Gastdozentur inne.

Michael Kumpfmüllers Gastdozentur tr?gt den Titel ?Unsere paralympischen Spiele. Vom Umgang mit Tieren, Menschen und G?ttern“. Am 2. Dezember startet sie mit einem Vortrag zum Thema ?Der Blick zur Erde“. Es folgen zwei weitere Vortr?ge am 9. Dezember zum Thema ?Der Blick zum Anderen“ und am 16. Dezember zum Thema ?Der Blick zum Himmel“. Im Januar schlie?en sich zwei thematische Werklesungen an: Am 13. Januar unter dem Titel ?Zum B?sen“ anhand des Romans ?Durst“ und am 20. Januar unter dem Titel ?Von der Rettung in letzter Minute“ anhand des Romans ?Die Herrlichkeit des Lebens“.

Michael Kumpfmüller studierte von 1981 bis 1990 Germanistik und Geschichte in Tübingen, Wien und Berlin. Seit 1985 ist er als freier Journalist t?tig und verfasst Reportagen, Portraits und Kolumnen unter anderem für ?Die Zeit“, den ?Tagesspiegel“ und die ?Frankfurter Rundschau“. 1994 wurde er mit der Dissertation ?Die Schlacht von Stalingrad. Metamorphosen eines deutschen Mythos“ promoviert. Von 1996 bis 1998 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU Berlin. Seit 2000 lebt er als freiberuflicher Schriftsteller in Berlin. Sein 2011 ver?ffentlichter Roman ?Die Herrlichkeit des Lebens“ wurde zum Bestseller und in 23 Sprachen übersetzt. Für seine Werke erhielt er unter anderem den Walter-Serner-Preis für Krimigeschichten (1993), den Katholischen Journalistenpreis (1997), das Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds Darmstadt (1998/1999 und 2005/2006), den Film- und Fernsehpreis des Hartmannbundes in Zusammenarbeit mit Thomas Hallet (2000), das Arbeitsstipendium des Berliner Senats (2007), den Alfred-D?blin-Preis (2007) sowie das Landgang-Stipendium (2017).

?ber die Werke von Michael Kumpfmüller

Die literarische Bandbreite, mit der Michael Kumpfmüller in den vergangenen zwanzig Jahren auf ganz eigentümliche Weise das Verh?ltnis von Oberfl?che und Tiefe, Vergangenheit und Gegenwart, Wahrnehmbarkeit und Erz?hlbarkeit ausgelotet hat, ist gro?. 360直播吧 reicht vom lockeren Parlan-do-Ton des Schelmen-romans ?Hampels Fluchten“, mit dem er 2000 seinen ersten gro?en Erfolg hat-te, bis zum nüchternen Berichtsgestus des Psychodramas ?Durst“ (2003), das unter der Oberfl?che eines erschütternden, auf der Materialebene authentischen Kriminalfalls eine Geschichte von grunds?tzlichem Rang über die menschliche Natur entfaltet. Gattungstypologisch spannt Kumpfmüller den Bogen dabei von der kleinen Form, der Miniatur, der Novelle und dem Kurzroman (?Die Herrlich-keit des Lebens“, 2011; Tage mit Ora“, 2018) bis zum gro?en Epochenpanora-ma (?Hampels Fluchten“) und dem politischen Zeitroman (?Nachricht an alle“, 2008).

Die pr?zise, detailgenaue Recherche bildet den Humus dieses Gegenwart und Geschichte gleicherma?en umkreisenden Werkes, das sich gerade in seiner fa-cettenreichen Gattungsvielfalt selbst immer wieder in Frage stellt, neue Tonar-ten und Schreibweisen erprobt, um sich ganz unmittelbar der Wirklichkeit mit ih-ren ?gro?en‘ Themen (Gewalt, pathologische Verhaltensweisen, Machtspiele, Liebe) ?zuzusprechen‘. Als eine Form der Wirklichkeitsaneignung durch Hinnei-gung, Einlassung und Erschlie?ung l?sst sich dieses Verfahren einer mimeti-schen Poesie beschreiben, welche die medial bilderges?ttigte und in dieser Bilders?ttigung immer unbegreifbarer werdende Welt wieder in die Sichtbarkeit stellt. Ihre Voraussetzung ist die ?ffnung von Blickfeldern, die buchst?bliche Entschlüsselung der durch Sichtblenden verstellten Wirklichkeit.

Wenn Michael Kumpfmüller in einem seiner jüngeren Interviews sagt: ?Für mich ist ein Text dann gut, wenn er Lücken l?sst“, ist damit der poetologische Nukle-us eines Werkes markiert, das in immer neuen Anl?ufen die unwidersprochene Logik und Evidenz unserer Wirklichkeitswahrnehmung und das hei?t auch der unwidersprochenen Sprach-werdung der Welt in Frage stellt. Das gilt für einen Roman wie ?Hampels Fluchten“, der sich mit der ?inversen‘ Republikflucht sei-nes erotomanen Titelhelden von Ost nach West in (auch) satirischer Weise mit der deutschen Teilung und dem Ost-West-Konflikt auseinandersetzt; das gilt ebenso für den vielschichtig und vielstimmig konstruierten Versuch über die Politik ?Nachricht an alle“, mit dem Kumpfmüller sich erz?hlerisch vorwagt in den Maschinenraum der Macht im Zeitalter einer nur noch postheroischen Poli-tik, und das gilt ebenso für die Seelenerkundung ?Die Erziehung des Mannes“ (2016), in der ein Mann beziehungsf?hig zu werden lernt. Das gilt vor allem auch für die kürzeren Erz?hltexte ?Die Herrlichkeit des Lebens“ (2011) und ?Tage mit Ora“ (2018), in denen Kumpfmüller am Beispiel Kafkas von der Erfahrung des Glücks im Angesicht des entschwindenden Lebens berichtet beziehungs-weise in der Gestalt einer Roadnovel von den Zuf?llig- und Brüchigkeiten der Liebe erz?hlt.

Allemal nutzt Michael Kumpfmüller den Roman, die Novelle oder einfach nur die Erz?hlung, um etwas über die Funktionsweise des menschlichen Zusam-menlebens in Erfahrung zu bringen, das die mediale Berichterstattung so nicht zum Ausdruck bringt. Die Eleganz und Finesse, mit der Kumpfmüller in seinen Werken dabei die Welt hineinholt in das Erz?hlen, ist eine (m?gliche) Antwort auf die Frage nach der Erz?hlbarkeit komplexer Wirklichkeiten.

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Prof. Dr. Stefan Elit

Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft

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