Co­ro­na-Pa­ra­dox: In­sol­ven­z­wel­le bleibt aus – For­scher ver­?f­fent­li­chen deut­sche In­sol­venz­da­ten­bank

 |  Forschung

Die Anzahl der Insolvenzen ist schon in normalen Zeiten ein wichtiger Indikator für die Wirtschaftslage. Umso wichtiger ist es, in Zeiten der Krise den ?berblick zu behalten. Aus diesem Grund haben Forschende des TRR 266 ?Accounting for Transparency“ unter der Leitung der Universit?t Paderborn und der Humboldt-Universit?t zu Berlin eine umfangreiche und interaktive Datenbank zum aktuellen Stand der beantragten Unternehmensinsolvenzen in Deutschland aufgebaut. Ab sofort ist die Datenbank ?ffentlich für jeden zug?nglich. 360直播吧 enth?lt tagesaktuelle Daten zu Unternehmensinsolvenzverfahren, die auf den Bekanntmachungen der Insolvenzgerichte basieren.

?Insolvenzen sind t?gliche Praxis, dennoch sind bisher nur wenige Forschungsdaten zum Thema ?ffentlich zug?nglich. Dabei k?nnen diese Daten wichtige Erkenntnisse liefern, zum Beispiel darüber, ob die richtigen Unternehmen ?gerettet‘ werden oder welchen gesellschaftlichen Nutzen und welche Kosten Insolvenzverfahren generieren“, so Joachim Gassen, Professor für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung der Humboldt-Universit?t zu Berlin und Distinguished Affiliate Professor an der ESMT Berlin. Gerade jetzt erscheinen Insolvenzdaten relevanter denn je. Denn in der aktuellen Pandemie drohen nicht nur Infektionswellen: In den vergangenen Monaten wurde auch vor einer kommenden Pleitewelle gewarnt. Aus diesem Grund haben die TRR 266-Forscher*innen eine neue Datenbank entwickelt, die genau diese Datenlücke schlie?t.

?Wir m?chten nicht nur der Wissenschaft und der interessierten ?ffentlichkeit erm?glichen, absch?tzen zu k?nnen, ob, wann und in welchem Ausma? aktuell eine Insolvenzwelle droht. Wir wollen die Insolvenzforschung in Deutschland auch insgesamt f?rdern“, so Gassen. ?Deshalb haben wir die Daten gesammelt und als interaktive Datenvisualisierung aufbereitet. Jeder, der m?chte, kann die Daten mit nur wenigen Klicks kostenlos herunterladen.“ Ein genauer Blick auf die aktuellen Insolvenzzahlen lohnt sich. Denn sie offenbaren ein Paradox: Gerade jetzt in der Corona-Krise, in der viele Unternehmen ums ?berleben k?mpfen, sind die Unternehmensinsolvenzen deutlich zurückgegangen. Eine wesentliche Erkl?rung: Die Insolvenzantragspflicht wurde am 27. M?rz 2020 rückwirkend zum 1. M?rz 2020 ausgesetzt. Damit sollte verhindert werden, dass durch die Pandemie unverschuldet in Not geratene Unternehmen Insolvenz anmelden müssen. Um genau zu verstehen, was hinter dem Insolvenz-Paradox steckt, hilft es, sich die Daten noch ein wenig genauer anzuschauen. Dafür stellt die interaktive Datenbank unter anderem unterschiedliche Filterfunktionen zur Verfügung. So k?nnen die Insolvenzdaten nach Branchen und Regionen gefiltert werden. 

Der Branchenvergleich liefert interessante Einblicke: ?Die Anzahl der Insolvenzantr?ge ist vor allem in den Branchen gesunken, die vergleichsweise wenig von der Pandemie betroffen sind“, erl?utert Prof. Dr. Ur?ka Kosi von der Universit?t Paderborn. Im Bereich der Kfz-Werkst?tten zum Beispiel sind die Insolvenzantr?ge im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent zurückgegangen ?Das ist erstaunlich, da die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht formal auf F?lle beschr?nkt ist, bei denen die Pandemie urs?chlich für die finanzielle Schieflage ist,“ so Kosi. In Branchen wiederum, die stark von der Pandemie betroffen sind, sind die Insolvenzen trotz der Regulierungs?nderung deutlich gestiegen. Für Kosi und Gassen deuten die Daten auf ein zentrales Problem hin: ?Es ist gut m?glich, dass im vergangenen Jahr viele an sich zahlungsunf?hige und überschuldete Unternehmen auf die Anzeige einer Insolvenz verzichtet haben. Auf diese Weise sind ?Zombiefirmen‘ entstanden, die nur noch auf dem Papier ?lebendig‘ sind.“ Diese ?Zombiefirmen‘ k?nnten eine Insolvenzwelle ausl?sen und den Neustart der Wirtschaft nach dem Ende der Pandemie deutlich erschweren.

Weitere interessante Erkenntnisse aus den Daten sind in einer dreiseitigen ?bersicht kurz und grafisch zusammengefasst: ?Insolvenzen: Ein Kollateralschaden der Pandemie?“. Die Datenvisualisierung und die Daten selbst sind seit heute online: https://accounting-for-transparency.de/insol/

Informationen zum Projekt
Die Datenbank wurde durch das TRR 266 Projekt ?B02: Private Firm Transparency” gemeinsam mit dem Open Science Data Center des TRR 266 aufgebaut. Weitere Informationen finden 360直播吧 in der Kurzfassung: Gassen, J., & Kosi, U. (2021, April). Insolvenzen: Ein Kollateralschaden der Pandemie?.  

Hintergrundinformationen
Der Sonderforschungsbereich (SFB) ?TRR 266 Accounting for Transparency“ startete im Juli 2019 und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für zun?chst vier Jahre gef?rdert. Er ist der erste SFB mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt. Am SFB sind rund 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von acht Hochschulen beteiligt: Universit?t Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universit?t zu Berlin, Universit?t Mannheim, Ludwig-Maximilians-Universit?t München, ESMT Berlin, Frankfurt School of Finance & Management, Goethe-Universit?t Frankfurt am Main, und WHU - Otto Beisheim School of Management. Die Forscherinnen und Forscher untersuchen, wie Rechnungswesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen des Rechnungswesens und der Besteuerung sowie Unternehmenstransparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das F?rdervolumen des SFBs betr?gt rund 12 Millionen Euro.

Foto (Universit?t Paderborn, Besim Mazhiqi): Paderborner und Berliner Wissenschaftler haben eine interaktive Datenbank zum aktuellen Stand der beantragten Unternehmensinsolvenzen in Deutschland aufgebaut.

Kontakt

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Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Caren Sureth-Sloane

Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre

Sprecherin im TRR 266 Accounting for Transparency

E-Mail schreiben +49 5251 60-1781
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Prof. Dr. Urska Kosi

Betriebswirtschaftslehre, insb. Externes Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung

E-Mail schreiben +49 5251 60-3796