“Frau­en ha­ben einen wei­ten Blick, M?n­ner einen poin­tier­ten”

Die italienische Dozentin Dr. Valentina Gaudiano forscht an der Universit?t Paderborn zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Geschlechter aus der Sicht der Ph?nomenologie.

Nach langem Warten und vielen Verschiebungen aufgrund der Pandemie hat es nun endlich geklappt: Dr. Valentina Gaudiano verwirklicht ihr Forschungsvorhaben in Paderborn. ?Manchmal muss man eben hartn?ckig sein“, sagt Gaudiano. ?Lesen und schreiben kann ich auch zu Hause, aber den Austausch und die Texte habe ich am ?Center for the History of Women Philosophers and Scientists‘ in Paderborn.“

Es geht Gaudiano um ein sensibles Thema: 360直播吧 will die Beziehung zwischen Mann und Frau analysieren. ?Es geht mir darum, die Stellung des Mannes und der Frau besser zu ergründen“, sagt Gaudiano, ?nicht zuletzt geht es dabei auch um ein besseres ethisches und gemeinschaftliches Zusammensein.“ Für ihre Forschung verwendet sie die ph?nomenologische Methode, auf die sie spezialisiert ist. Ausgehend von einer Ph?nomenologie des Leibes und einer Leiberfahrung, in Anbetracht des alten Leib-Seele Problems bis hin zu den Gender-Theorien, will sie schlie?lich einen Beitrag zur philosophischen Anthropologie leisten. Eine wichtige Autorin ist für Gaudiano hier Edith Stein. ?Manche Aussagen Steins k?nnen für Feministinnen schon schwieirg sein“, lacht Gaudiano, ?aber ich kann mich mit vielen ihrer ph?nomenologischen Beschreibungen dennoch identifizieren.“ 360直播吧 erkl?rt: ?Stein sagt, dass Frauen einen weiteren Blick haben und darauf achten, was noch alles zu einer Thematik geh?rt. M?nner haben einen punktuelleren Blick und k?nnen alles, was nicht zu diesem Punkt geh?rt, ausblenden. Das erfahre ich im Alltag mit meinen Kolleginnen und Kollegen oft genauso. Edith Stein sch?tzt M?nner in einem manchmal erstaunlichen Ausma?, wenn man bedenkt, dass die patriarchalischen Umst?nde ihr nicht einmal erlaubt haben, zu habilitieren“, erl?utert Gaudiano.

Es geht Gaudiano nicht um die St?rkung eines Geschlechts über dem anderen, es geht ihr um das Gemeinsame in und durch die Anerkennung und Wertsch?tzung der Unterschiede. ?Es geht mir um eine anthropologische Frage“, sagt Gaudiano, ?aus der Gemeinsamkeit und Einheit des Menschen erwachsen Unterschiede und es sind diese Unterschiede, die bedeutend sind. M?nner haben St?rken und Schw?chen und Frauen haben St?rken und Schw?chen – darauf bauen wir, indem wir die Würde des Anderen erkennen und sch?tzen lernen“, erkl?rt Gaudiano. Auf die Frage, ob ein ph?nomenal beschriebenes M?nner- und Frauenbild nicht auch ausgrenzend oder stigmatisierend sein kann, antwortet Gaudiano: ?Es ist ein sehr sensibles Thema. Ich bin mir dessen bewusst und jeden Tag frage ich mich, warum ich dieses Thema behandle. Die Wirklichkeit hat mich motiviert und der Wunsch zu einer Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern beizutragen, indem wir das M?nnliche und das Weibliche im Menschen verstehen. Aber man kann bestimmt nicht allen und allem darin gerecht werden, zumal die Unterschiede nicht allein im Geschlechtlichen bestehen, sondern allgemein unter den einzelnen Menschen.“

In Paderborn geht es Gaudiano darum, mit Prof. Dr. Ruth Hagengruber und ihrem Team einen offenen Austausch zu pflegen und ihren Blick zu weiten. Bei der Textrecherche im Archiv des ?Centers for the History of Women Philosophers and Scientists“ ist ihr so bereits eine weitere interessante Ph?nomenologin, Hedwig Conrad Martius, für ihr Thema ins Auge gefallen. Zuletzt betont die Wissenschaftlerin: ?In einer patriarchal dominierten Geschichte geht es auch darum, die Würde der Frau zurückzuholen. Das ist ein Teil der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern.“

Clara Carus (Center HWPS) führte das Interview mit Dr. Valentina Gaudiano am 25.05.2021.

Foto (Antonio Gaudiano): Dr. Valentina Gaudiano forscht als Gastwissenschaftlerin in Paderborn.

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